Weitsicht

Das Blog zu Führung und Zusammenarbeit aus der Ferne von Thomas Knappe.

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Was kann ich ganz am Anfang tun, damit schnell Vertrauen im Team entsteht?

von | 10. Juni 2016

[Bild von Lisa Caroselli auf Pixabay]

Na, das ist eine Frage, wie Sie im Coaching und Workshop immer wieder gern von Klienten gestellt wird: Wofür müssen Sie ganz am Anfang sorgen, damit im Team schnell Vertrauen entsteht?

Meine Antwort: Es kommt darauf an …

Auf was? Da fallen mir vor allem 3 Punkte ein: „Wie ist die Struktur des Teams?“, „Was ist Ihr Verständnis von Vertrauen?“, und „Was meint für Sie „am Anfang“?“

Erst einmal also zur Struktur des Teams: Präsenzteam oder verteiltes Team (inklusive vermischter Formen)? Das macht einen erheblichen Unterschied, nicht wahr?

Und es hat mit Ihrem Verständnis von Vertrauen zu tun: Bei Präsenzteams gehen wir meist (und zurecht!) davon aus, dass Vertrauen Hand in Hand mit besserem Kennenlernen geht, wächst und gedeiht. Kommt Zeit, kommt Vertrauen. Bei verteilten Teams besteht eine räumliche (ggf. auch zeitliche, kulturelle usw.) Trennung, die wesentlich bewirkt, dass die Formel „ein angemessener Zeitraum führt zu unzähligen gemeinsamen Erlebnissen und persönlichem Kennenlernen im Arbeitsalltag und so schrittweise zu tragfähigem Vertrauen“ nicht mehr gilt.

Der Faktor Zeit bringt Ihnen hier nicht den entscheidenden Nutzen: Wenn Sie hierauf vertrauen wollten, würde Vertrauensbildung im verteilten Team auf jeden Fall sehr, sehr lang dauern.

Statt dessen gibt es einige Forschung zu einem bei verteilten Teams gut erkennbaren Phänomen, dem sogenannten „Swift Trust“. Anmerkung: Dieses Phänomen gibt es offenbar auch in Präsenzteams, in verteilten Teams ist es jedoch viel ausgeprägter und aus den genannten Gründen auch wesentlicher. „Swift Trust“ meint letztlich: Die Teammitglieder sind in der anfänglichen Kennenlernphase der Teamfindung bereit, einen ersten Vertrauensvorschuss zu geben!

Das ist für Sie als Führungskraft die Chance, aus einem flüchtigen Vertrauensvorschussphänomen ganz viel zu machen. Übrigens: Wenn Sie sich gern in solch wichtige Aspekte professionell einarbeiten, finden Sie unten als Anregung drei Texte, die zu lesen – meine ich – lohnt.

Die verbleibende Frage ist jetzt: Was meinen Sie konkret mit „am Anfang“? Das erste Händeschütteln (mit trockenen Händen und angemessen festem Händedruck)? Das erste Jahr? Oder das erste Meeting, den „Take-Off“, wie das heute oft heißt. Die meisten meiner Klienten meinen diesen zeitlichen Rahmen eines ersten gemeinsamen Meetings und Kennenlernens.

Nehmen wir also an, es geht Ihnen um ein verteiltes Team, das erste gemeinsame Meeting und Sie können zu recht davon ausgehen, dass hier „Swift Trust“ eine Rolle spielt. Dieses flüchtige Vertrauen heißt es nun möglichst gut zu nutzen!

Wenn Sie ein reales Meeting haben – das kommt immer wieder auch bei verteilten Teams vor und ich schreibe das hier, damit auch  Führungskräfte von Präsenzteams etwas mit den folgenden Gedanken anfangen können! – begrüßen Sie die Teammitglieder. Achten Sie auf Ihre Erscheinung und Ihre Hände (s.o.). Ich erwähne das besonders, weil das gepflegte Auftreten als ein Sich-Bemühen um den Anderen und natürlich der Handschlag in unseren Breiten als wichtige vertrauensbildende Rituale gelten.

In der Kennenlernphase kennen wir die anderen eben noch nicht! Will heißen, „innere Werte“ spielen hier noch keine Rolle. Im Vordergrund stehen schnell zu gewinnende äußere Eindrücke, die das erste – und wie sich immer wieder herausstellt, sehr nachhaltige – Bild vom Vorgesetzten, Kollegen usw. prägen. Zum Beispiel: Aussehen, Händedruck, Stimme, Intonation, Kommunikationsfähigkeiten, Sozialverhalten. Bei verteilten Teams im virtuellen Meeting spielen hiervon die ersten beiden Punkte naturgemäß keine Rolle, wenn Sie mit einem Präsenzmeeting starten, gelten jedoch alle Punkte und mehr. Es wäre also sicher hilfreich, sich um eine „glaubwürdige“ Stimmlage und Stimmführung zu bemühen. Außerdem natürlich: Je klarer, verbindlicher und durchaus ein wenig mehr als nötig von sich selbst preisgebender Sie reden, umso förderlicher im Sinne des Vertrauens.

Denn umso eher befinden sich Ihre Teammitglieder „gefühlt“ im grünen Bereich. Und die Entwicklung eines Gefühls der Sicherheit geht für viele Menschen mit Vertrauen Hand in Hand. Vielleicht nehmen Sie sich einmal selbst auf dem Handy auf, hören’s ab und fragen sich ehrlich: „Macht es mir dieser Mensch leicht, Vertrauen zu ihm/ihr zu fassen?“

Verteilte Teams sind in der Regel erkennbar aufgabenorientierter – wissend, dass sie die anderen nur selten persönlich erleben werden – als Präsenzteams. Zu wissen, dass man sich bei seinen Kollegen auf ausgewiesene Expertise – Abschlüsse, bisherige Positionen und nachvollziehbare berufliche Erfolge usw. – verlassen kann, hilft dem eigenen Vertrauen auf die Sprünge. Das gilt auch für klare Informationen über die künftigen Strukturen und darüber, wie jeder in das Gesamtgefüge der künftigen Aufgabenstellungen passt. All dies gibt Anlass, den anderen Vertrauen entgegenzubringen.

Ihrem Team und Ihnen wird es daher sicher helfen, gerade die Experten-Aspekte der künftigen Teammitgleider zu betonen: Vorstellungsrunden, in denen paarweise die eine den anderen vorstellt, können solchen Informationen zu noch mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Dann muss sich nämlich niemand selbst über den grünen Klee loben (auch wenn er oder sie die geäußerten Informationen gerade erst von der/dem Vorgestellten erhalten hat). Auch Ihre Äußerungen als Führungskraft, welche besondere Expertise die Einzelnen in Ihren Augen für das Team mitbringen, hilft, den „Swift Trust“ auszuweiten.

Was noch könnten Sie tun? Machen Sie sich einen Plan. Und zwar einen, der zu Ihnen passt: Auch die Authentizitätsvermutung der TeilnehmerInnen Ihnen gegenüber ist ein wichtiger Baustein für die allgemeins Vertrauensbildung. Nutzen Sie den flüchtigen Vertrauensvorschuss Ihres Teams gezielt aus. Denn auch für den „Swift Trust“ gilt „vorbei ist vorbei“ und Sie können’s nicht nachholen. Sie wissen ja: Beim verteilten Team benötigen Sie das Vertrauen gleich vorab, weil Sie sonst Teamentwicklung aus der Ferne kaum wirksam anbieten können!

Sie haben hierzu weitere Ideen, die Sie gern teilen würden, zu denen Sie Feedback dazu bekommen oder Handlungsalternativen entwickeln wollen? Dann machen Sie gern mit beim nächsten Lunch-TeleWorkshop zu diesem Thema. Mehr dazu finden Sie hier auf coachingcolleg.de.

Ihnen bei der Vertrauensbildung in Ihrem Team viel Freude und Erfolg!

Leseanregungen zum „Swift Trust“:

  • Ferrazzi, K. (2012): How to Build Trust in a Virtual Workplace. In: Harvard Business Review. Online https://hbr.org/2012/10/how-to-build-trust-in-virtual/ (Zugriff 4.3.2016).
  • Robert, L. Jr./Dennis, A./Hung, Y.(2009): Individual Swift Trust and Knowledge-Based Trust in Face-to-Face and Virtual Team Members. In: Journal of Management Information Systems, Fall 26(2), S. 241-279.
  • Crisp, C. B./Jarvenpaa, S.(2013): Swift trust in global Virtual teams trusting beliefs and normative actions. In: Journal of personnel psychology, 12(1), S. 45-56.