Weitsicht

Das Blog zu Führung und Zusammenarbeit aus der Ferne von Thomas Knappe.

Weitsicht

Das Blog zu Führung und Zusammenarbeit aus der Ferne von Thomas Knappe.

Damit das Team wieder aufsteht!

von | 11. August 2016

[Bild von Erika Wittlieb auf Pixabay]

Wie lässt sich Teamresilienz in verteilten Teams fördern?

Der Begriff „Resilienz“ ist heute in aller Munde. Er meint die Fähigkeit eines Menschen, aus einer Krisensituation trotz des persönlichen Rückschlags letztlich unbeschadet oder gar gestärkt hervorzugehen. Bei Resilienz geht es also nicht zuletzt um das Lernen in und aus der schwierigen Situation.

Lernen aus dieser schwierigen Situation, die den Menschen durchaus erwischt, drückt, „verformt“ (ursprünglich war „Resilienz“ ja ein Terminus aus der Materialkunde) , der nun seinerseits dank der Aktivierung seiner Ressourcen einen oder besser „seinen“ Weg findet, hiermit so umzugehen, dass er als „Stehaufmännchen“ wieder fast wie neu oder gar besser dasteht.

Die genannten Ressourcen können dabei „innere“ – wie zum Beispiel die persönliche Selbstwirksamkeitserwartung oder die Selbstdefinition als Gestalter statt als Opfer – sein, oder im Umfeld zur Verfügung stehende, kontextuelle. Hierzu zählen insbesondere tragfähige soziale Beziehungen und Netzwerke, die wohl zu den am eingehendsten untersuchten dieser „Resilienzförderer“ gehören.

In der Regel werden Krisensituationen für die Betroffenen weder abwendbar, veränderbar noch wählbar sein. Die eigene Haltung, die eigenen Gedanken und Emotionen und damit die Handlungsmöglichkeiten jedoch schon. Letztlich geht es bei Resilienz also um eine durch Erfahrungen und Lernprozesse fundierte innere Haltung, die in „wieder einen kühlen Kopf bekommen“, pro-aktives und zielführendes Handeln, Kooperation usw. mündet.

Halten wir’s fest: Resilienz in diesem Sinne ist nicht „gottgegeben“, sondern (wenn auch oft unfreiwillig) lernbar und weiter zu entwickeln.

Im Laufe der letzten Jahre ist es üblich geworden, nicht immer ganz glücklich wie ich meine, von der Resilienz von Unternehmen, Organisationen und ihren Einheiten zu sprechen. Hier heißt es, immer deutlich zu machen, was „Resilienz“ bezogen auf anderes als Menschen (oder Materialien) denn bedeuten soll.

Hinsichtlich Teams scheint die Vorstellung einer „Teamresilienz“, die ergänzend mehr ist als die Summe der resilienten Teammitglieder, durchaus sinnvoll. Das Team als lebendiges Ganzes bestehend aus einzelnen Teammitgliedern und ihren Beziehungen untereinander handelt in seiner Gruppendynamik ja immer wieder anders, als die Betrachtung nur der einzelnen Teammitglieder erwarten lassen würden.

Und es sind in diesem Bild durchaus plötzlich auftretende Krisen, unvorhergesehene Veränderungen des Marktes und des Wettbewerbs, Veränderungen innerbetrieblich zur Verfügung stehender Ressourcen, Fehlentscheidungen mit weitreichenden Folgen usw. usf., die auf dieses Team (und hierüber auch wieder seine einzelnen Teammitglieder) drückend einwirken.

Ein resilientes Team wäre dann ein solches, das – getroffen von der unmittelbaren, den Fortbestand des Teams und seiner Arbeit gefährdenden Krisensituation – die eigene Produktivität aus eigener Kraft schnell wiedergewinnt und in vollem Umfang leistungsfähig ist. Gesteigert leistungsfähig sogar, dank der Lernerfahrung des gemeinsamen Meisterns der Situation. Mag sein, das Team verfügt dann sogar über zusätzliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, Wissen und Kompetenzen, die es bzw. auch das jeweilige Teammitglied sich zur Bewältigung der Krise aneignen musste. Das Team ist also an der überwältigenden Herausforderung durch Besinnung auf seine Ressourcen und deren Nutzung und Weiterentwicklung gewachsen.

Die Literatur weist zur Resilienz auf der individuellen Ebene auf eine Reihe von Resilienzförderern hin: Haltungen, Überzeugungen, Gedanken, Erfahrungen, Soft-Skills, Beziehungen und mehr, die helfen, die Krise zu meistern. Einige davon – zum Beispiel hohe Selbstwirksamkeitserwartung, Pro-Aktivität, und Selbstdefinition als Gestaltende habe ich oben schon genannt. Auch – und da das Team selbst diese Ressource liefern kann besonder relevant – tragfähige soziale Kontakte, die die Selbst- und Sachklärung im Dialog ermöglichen, die die Bewusstmachung eigener und gemeinschaftlicher Ressourcen sowie die Entwicklung gemeinsamer Lösungen fördern.

Was macht das Konzept der Teamresilienz so interessant? Nicht zuletzt, dass die „Resilienzförderer“ Haltungen sind, die wir auch besonders leistungsfähigen Teams zuschreiben! Einiges muss zwar beim Hochleistungsteam noch hinzukommen, aber die Resilienzförderer sind immer dabei.

Was heißt das für Sie als Führungskraft, wenn Sie ein verteiltes Team führen?

Ich werde künftig immer wieder einmal einen der Resilienzförderer nehmen, um an seinem Beispiel über die Folgen für Führung nachzudenken: Heute soll es die positive Selbstwirksamkeitserwartung sein, also die grundlegende Überzeugung, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich meistern zu können, so dass das gewünschte Endergebnis erreicht wird.

Studien zu diese begründete Zuversicht gibt es einige: So war dies sowohl für die einzelnen Sportler wie auch für die Teams bei den US-amerikanischen Sportlern der Olympischen Spiele in Nagano einer der erfolgseentscheidenden Faktoren.*

Soll positive Selbstwirksamkeitserwartung als zentrale Fähigkeit im Team nachhaltig entwickelt werden, wäre wohl, wie auch bei anderen die Identität des Teams betreffenden Teamentwicklungsmaßnahmen, ein Vorgehen auf 3 Ebenen möglich:

1. Auf der individuellen Ebene der Teammitglieder:

  • Hilfreich wäre es, die Arbeit so zu gestalten, dass sie vom jeweiligen Teammitglied als komplex (und damit bedeutsam) wahrgenommen wird. Dies ist nach Bandura**[ii] gewissermaßen der Kern der Erfahrung, die zu einer positiven Selbsterwartung führt. Einfache Tätigkeiten werden sicher zuhauf auch von jedem im Team zu bewältigen sein, fördern aber die Selbstwirksamkeitserwartung nicht entscheidend.
  • Als Führungskraft sind Sie gefordert, Unterstützung nur im Sinne des Coachings anzubieten: als Sparringspartner, Anreger, Cheerleader usw. im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“. Möglichst aber auf Beratung und Begleitung in der Sache zu verzichten: Externe Hilfe bei der Erfüllung der eigentlichen Aufgabe wirkt nämlich hinsichtlich der Selbstwirksamkeitserwartung kontraproduktiv.
  • Für die Einbettung in die Teamentwicklung – und für all diejenigen, die wertschätzendes Feedback zu schätzen wissen oder gar ein Stück weit darauf angewiesen sind, um die eigene Leistung tatsächlich als solche würdigen zu können, ohnehin notwendig – wäre der individuelle Erfolg auch publik zu machen. Von der einfachen Erwähnung bis hin zur expliziten Würdigung durch die Gruppe.

2. Auf der Ebene des Teams selbst:

  • Analog der Arbeitsgestaltung für die einzelnen Teammitglieder wäre es hilfreich, zunehmend die Team- und Arbeitsorganisation in die Hände des Teams selbst zu legen.
  • Immer komplexere Selbstorganisation im Team könnte zum Beispiel durch laufenden Austausch und Selbstreflexion zur aktuellen Selbstwirksamkeit und Resilienz des Teams unterstützt werden. Hierüber hat das Team auch die Möglichkeit, den Wert hoher Vielfalt (oder „Buntheit“) im Team – zum Beispiel im Rahmen stärken- und entwicklungsorientierter Arbeitsteilung – besser zu verstehen und zu nutzen.
  • Auch auf Teamebene bietet sich an, das Erreichte und Gelernte zu würdigen und so zu festigen: Teamerfolge dürfen gefeiert werden!

3. Auf der Ebene der Führungskraft:

  • „Wie der Herr so’s G’scherr“ heißt eine oft zutreffende Redensart im Süden unserer Republik. Wo statt fundierter Selbstwirksamkeitserwartung nur Werbesprüche geklopft werden („Wir schaffen das“) oder andererseits Bedenken, Reaktivität und Zögerlichkeit vorgelebt werden, hat positive Selbstwirksamkeitserwartung es schwer, sich im Team und bei den MitarbeiterInnen zu entwickeln.
  • Darüber hinaus ist es an Ihnen als Führungskraft im Arbeitsalltag vielfältige Gelegenheiten zu schaffen, die die Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartung ermöglichen. Zum Beispiel Arbeit sinnvoll zu aufzuteilen, die Herangehensweise an die Aufgaben zunehmend den Mitarbeitern selbst zu überlassen oder Arbeitspakete so zu takten, dass kurze Feedbackbögen entstehen, die durch die Bestätigung oder die Veränderungsnotwendigkeit des Herangehens die Weiterentwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung laufend fördern.

Sie merken schon: Einigs, was sich im Führungsalltag mancher verteilter Teams noch findet – Teammitglieder agieren lediglich als verlängerter Arbeitsarm der Führungskraft, mangelnde Entscheidungs- und Prozessgestaltungsspielräume, übermäßig standardisierte Arbeitsabläufe, „Führungskraft als Vordenker“ und ähnliches mehr – ist hier schlicht kontraproduktiv und wert überdacht zu werden.

Für viele verteilte Teams sollten Entwicklungsangebote wie die oben genannten durchaus umsetzbar sein, benötigen aber sicher – wie die meisten Teamentwicklungsprozesse „aus der Ferne“ – ein deutliches Mehr an Kommunikation jenseits der eMail. Diesen Aufwand sollte es – oben war ja schon einmal der Hinweis, dass die Resilienzförderer auch außerhalb der Krisensituation für Hochleistungsteams bestimmend sind! – wohl wert sein.

Was meinen Sie? Was könnten Sie dazu beitragen, dass Ihr Team seine Selbstwirksamkeitserwartung festigt und so resilienter und leistungsfähiger wird? Schreiben Sie es gern unten in den Kommentar.

* Gould, Dan et al. (1999): Lessons from Nagano. In Olympic Coach 9(3): 2-5.

** Bandura, Albert (1977): Self-efficacy. Toward a unifying theory of behavioral change. In Psychological Review 84(2): 191-215.