Neulich im Führungsworkshop kam als Metapher für Gefahren, die Führungskräften in der eigenen Entwicklung und Außenwirkung drohen, das Bild vom „Querk“ ins Spiel.
Was ein Querk ist? Ein Foto sehen Sie hier: Ein Querk ist die sympathische, wenn auch recht eigenwillige Hauptfigur (oder vielmehr 5 Hauptfiguren, weil es eben 5 solcher Querks gibt) aus dem gleichnamigen Kinderbuch.
Da sind diese Querks tolle Bastler, praktische Lösungsfinder und Tüftler. Allerdings haben Sie einen Hang dazu, sich anderen Tieren, deren Fähigkeiten sie bewundern, angleichen zu wollen. Hierzu schneidern sie sich Verkleidungen, Masken (oben sehen Sie ein Papageienkostüm), um so wie ihre Spielkameraden auszusehen. Und verhalten sich dann auch möglichst genau wie diese.
So haben die Querks das Gefühl, gemocht zu werden. Und richtig dazu zu gehören.
Sie merken’s schon: Parallelen zu Entwicklungen, die im beruflichen Alltag oft ganz leise und unbemerkt stattfinden, sind sicher nicht ganz zufällig. Schnell passen sich Menschen den erwarteten oder auch nur vermuteten „richtigen“ Verhaltensweisen Ihres Umfelds (Vorgesetzte, Kollegen, Mitarbeiter …) an. Und wähnen sich damit auf der sicheren Seite.
Das hat dann allerdings, besonders für all jene in verantwortlicher Position, auch einige Nachteile. Zum Beispiel
- sagt sich trotz „Verkleidung“ bei negativer Kritik niemand „Ach, da hat meine Verkleidung ja wieder mal ganz schön was abgekriegt!“ Nein, die Kritik trifft unverändert den Menschen hinter der Maske persönlich.
- bleibt bei positiver Rückmeldung der nicht unbegründete Verdacht, nicht man selbst, sondern nur die Verkleidung sei gerade mit dem Lob gemeint gewesen.
- werden die eigenen Stärken zugunsten der vermuteten Erwartungen anderer zurückgestellt. So bleibt die- oder derjenige immer unter den eigenen Möglichkeiten und kommt an die eigene Bestleistung nicht heran.
Auch der Verkleidung oder Maske wirklich gerecht zu werden, gelingt nicht richtig. Trotz aller Erwartungen an sich selbst, aller Anstrengung und dem Spaß dabei: Als Elefant verkleidet, ist ein kleiner Querk im Buch bei weitem nicht so stark wie der Elefant selbst, als Hase im Hakenschlagen nicht so wendig und ausdauernd wie der echte Hase und die Sache mit der Verkleidung als Hund endet erbärmlich an der kurzen Leine vor einer Hundehütte.
Da wurde also das Querk in eine zwar nicht zu ihm selbst aber 100-prozentig zu seiner Maske passende Position befördert. So etwas kommt auch im wirklichen Leben immer wieder vor. Ganz ehrlich: Wie schrecklich ist das denn?
Und zu allem Überfluss fehlt auch den Beziehungen zu den neuen Spielkameraden etwas Wesentliches. Da stellt eine Maus ganz traurig fest, dass sie den Querk nicht mehr kennenlernen kann, weil dieser sich zwischenzeitlich als Maus ausgibt.
Was die LeserInnen des Kinderbuchs lernen, lässt sich – und dafür ist’s ja auch gedacht! – für erwachsene Leistungsträger gut übersetzen:
- „Bleib du selbst!“
- „Probiere nicht, dich zu verkleiden, um anderen zu gefallen!“
- „Lern‘ dich selbst gut kennen, entwickle deine persönlichen Stärken weiter und nutze sie!“
Lauter gute Ideen, die zu mehr Selbstentwicklung und persönlicher Produktivität, zu weniger Stress und mehr echter Erfüllung im (Arbeits-)Leben führen. Und sicher fällt Ihnen dazu noch die ein und andere gute „Moral von der Geschichte“ zusätzlich ein.
Nun, die Querks lernen im Laufe ihrer Geschichte und nutzen Verkleidungen nicht mehr „in echt“, sondern nur noch für den zusätzlichen Spaß auf einer Party.
Und sie werden ganz großartig und erfolgreich, eben weil sie nicht mehr versuchen, sich nach der Decke der anderen zu strecken. Auch das eine Lehre, die zu beherzigen alle gut beraten sind, die als Führende für andere den Rahmen setzen und vorangehen.
Es gibt also eine Vorher- und eine Nachher-Version der Querks: Die Zugehörigkeit zur Vorher-Version gibt’s fast für lau.
Die Zugehörigkeit zur Nachher-Version aber bedarf einer klaren Entscheidung.
Ähnliches hatte wohl auch der Komponist Maurice Ravel im Sinn als er seinem wesentlich jüngeren Kollegen George Gershwin Ende der 1920er Jahre die Bitte nach ein paar Stunden Kompositionsunterricht abschlug, indem er ihn sinngemäß fragte:
„Warum wollen Sie ein zweitklassiger Ravel werden, wenn Sie ein erstklassiger Gershwin sein können?“
Was meinen Sie dazu?